Jemand sagte: das geht nicht. Ich hab es vorab abgeklopft und versucht, etwas zu finden, warum es nicht geht. Ich habe nichts gefunden. Und dann habe ich es ausprobiert.
Rahmenbedingungen
- Ein Reihen-Mittelhaus im Rheingau
- Vorab: die Frage, ob ich denn die Wärme nicht von den Nachbarn ziehe wird unten geklärt.
- Baujahr 1996
- Das Haus ist, von der Dacheindeckung abgesehen, komplett eigenständig. Hat also eigene Seitenwände. Zu den Nachbarhäusern besteht ein Abstand von 1 bis 2cm.
- Ein Außengerät ist nicht möglich, weil das Gerät nie 3m Abstand zur Grundstücksgrenze haben kann.
- Außerdem haben wir für unseren Haus-Elektroanschluss nur ganze 4,9 kVA zugewiesen bekommen. Für alles. Da gehen dann nur winzige elektrische Verbraucher.
- 135m² Wohnfläche auf 3 Stockewerken
- Die Wände sind 54cm dick. Das meiste besteht aus isolierenden Steinen, die äußeren 5cm sind vermutlich Dämmung.
- Überall sind 3-Scheiben-Fenster verbaut. Auch in der Haustür und im Dach.
- Das Dach ist gut gedämmt
- Es gibt 12 normale Heizkörper
- 40m³ Keller
- Zwei gleich große Kellerräume
- Der obere Rand der Kellerdecke schließt ebenerdig ab
- Die Kellerdecke ist mit 5cm Dämmung versehen
- Der Kellerboden ist vermutlich Stahlbeton
- Der Kellerboden ist ca. 250cm unterhalb der Erdoberfläche
- Es gibt keine Wärmequellen, außer die elektrischen Geräte des Hauses.
- Es gibt eine weitere Warmwasser-Wärmepumpe, für das Warmwasser. Die entzieht dem Haus schon ca 4 kWh Wärme pro Tag weil auch diese nur mit Umluft im Keller läuft.
Der STand vorher
- Jahresverbrauch: 1.550 kWh
- Gasheizung
- ca 50-65°C Vorlauftemperatur
- Energiemessung via Wärmemengenzähler
- Das ganze Haus wurde mit nur einem Heizkörper im EG geheizt. Bei weniger als 0°C mit zwei weiteren im EG.
- Im EG waren rund 20°C im EG, im Dach 18°C. Manchmal auch weniger. Wir haben die Räume ad hoc geheizt, wenn wir sie gebraucht haben. Nachts wurde überall auf 18°C abgesenkt.
Die neue Heizung
- Eine Vissmann Vitocal 060-A Warmwasser-Wärmepumpe
- 257 Liter Wassertank
- 0,4 kW Wärmepumpe
- 1,5 kW Heizstab
- Eine Mischer incl. Heizungspumpe, Sensoren und Steuerung
- Ein 50 Liter Ausgleichsgerät
- Gesamtkosten incl Installation: 5.000 EUR
Die Einstellung hat mich etwas Zeit gekostet. Die letzte, komplette Heizperiode haben wir damit folgendermaßen hinter uns gebracht:
- ca 23 bis 34°C Vorlauftemperatur. Bei -7°C waren es höchstens 34°C.
- Die 12 Heizkörper müssen alle aufgedreht sein, damit es funktioniert.
- Alle Zimmer haben 21°C. Durchgehend. Das System ist zu träge für Absenkungen. Weder einzelne Zimmer sind möglich noch Nachtabsenkung.
- Im Urlaub im Winter bei -7°C Außentemperatur hatte ich es auf 18°C eingestellt. Als wir zurück waren brauchte es gut 20 Stunden, bis wieder 21°C herrschten. Nochmal machen wir das nicht.
- Der Verbrauch für diese Heizperiode: 850 kWh
- Ab 0°C Außentemperatur muss der Heizstab mitgenutzt werden, sonst reicht die Wärmeleistung nicht aus.
- Laut gemessener Leistung bei den jeweiligen Außentemperaturen funktioniert das alles bis -17°C Außentemperatur.
D.h. wir haben den Komfort also einiges erhöhen müssen, damit es funktioniert. Ansonsten läuft es problemlos.
Die aktuellen Gaskosten (150 EUR) waren geringer als jetzt die Stromkosten (255 EUR). Das dürfte sich aber im Laufe der Jahre ändern. Und wenn nicht, ist der Preisunterschied auch nicht wirklich relevant. Mit der Wärmepumpe fallen auch Wartung und der Schornsteinfeger weg, da, außer die Luftfilterreinigung, laut Installateur keine Wartung nötig ist.
Nachteile
- Wie müssen die Temperatur im Haus immer gleichmäßig einstellen.
- Das System ist sehr träge. Mal schnell ein Zimmer mehr aufheizen geht nicht. Da muss man sich was anderes einfallen lassen.
- Unter 0°C reicht die Wärmepumpe allein nicht mehr aus. Dadurch sinkt der COP rechnerisch und die Kosten steigen. Bsp: bei -7°C Außentemperatur war der Heizstab ~1/3tel des Tages am laufen. Gesamt kommen wir vermutlich auf einen COP von 2,5.
- Unter -17°C Außentemperatur muss man sich was einfallen lassen.
- Das „Heizungsgefühl“ existiert nicht mehr. Es gibt keine Heizkörper, die spührbar Wärme abstrahlen. Die liegen ja immer nur minimal über der Raumtemperatur.
Details: Wie funktioniert es
- Wo kommt die Wärme her?
- Im Raum mit der Wärmepumpe herrscht immer eine Lufttemperatur von >12°C.
- Wände und Decke des Kellers haben bei weniger als 6°C Außentemperatur immer eine Oberflächentemperatur von <11°C.
- Die Bodentemperatur liegt immer bei >11°C.
- Die kalte Abluft wird von dem Raum der Wärmepumpe in den zweiten Kellerraum geleitet. Über einen Durchbruch zwischen den Räumen kurz unter der Decke fließt die Luft wieder zurück.
- Sowohl die Bodentemperatur als auch die Lufttemperatur des zweiten Kellers wird minütlich aufgezeichnet.
- Da Wärme immer nur vom warmen Medium zum kalten wandern kann, zieht das System die Wärme aus dem Boden. Gut zu sehen in der Temperaturüberwachung.
- Kommt die Wärme nicht doch von woanders?
- Z.B. vom EG, weil die EG- und Kellerwände thermisch nicht entkoppelt sind? Wenn die Außentemperatur unter 6°C sinkt, sinkt die Oberflächentemperatur des obersten Randes der Kellerwände auf 8°C und weniger. D.h. die Wärme aus dem EG wandert direkt nach draußen bevor sie überhaupt im Keller ankommt. Außerdem würde ein thermischer Kurzschluss, das EG wird ja schließlich von der Anlage geheizt, dazu führen, dass nur noch elektrisch geheizt wird. Dafür ist der Verbrauch um den Fakror 3 zu klein.
- Z.B. von den Nachbarhäusern? Im Winter in der letzten Januarwoche, vom 25.1. bis 2.2., fiel die Heizung der anderen bei ca. 0°C Außentemperatur komplett für 8 ganze Tage aus. In der Zeit kühlten die anderen Häuser bis unter 16°C aus. Die Heizleistung und auch die dauerhaft überwachten Temperaturen meines Kellers änderten sich nicht ein bisschen.
- Aber der Erdboden ist doch gar nicht so warm!
- Ich habe zwar keine Temperaturdaten für 250cm tiefe, aber für bis 100cm. Quelle: https://www.dwd.de/DE/leistungen/bodentemperatur/bodentemperatur.html Die habe ich auch regelmäßig gespeichert und so einen längeren Verlauf. Und dort, wie auch bei dem Beispiel, kann man gut extrapolieren, dass die Bodentemperatur immer oberhalb von 10 bis 12°C liegt.
- Die Wärmepumpe mit 400 Watt elektrischer Leistung kann, wenn das COP von 3,5 laut Datenblatt angenommen wird, max 1000 Watt an Wärme entnehmen. Laut der Berechnung von Flächen-Wärmekollektoren, und nichts anderes ist die Wärmeentnahme via Bodenplatte ja, sollten 40m² Boden grob 1600 Watt an Wärmeleistung liefern können. Quelle: https://www.energie-experten.org/erneuerbare-energien/erdwaerme/erdwaermekollektoren/flaechenkollektor . Laut dieser Quelle https://www.waermepumpe.de/uploads/tx_bcpageflip/bwp-Infoblatt43-Erdwaermekollektoren.pdf haben wir hier sandigen Ton und damit 35 Watt pro m² was dann 1400 Watt ergibt. Damit ist immer mehr Wärme nachgeliefert als abgezogen werden kann.
- Und: wenn die WP keine Wärme von irgendwoher ziehen könnte, käme alle erzeugte Wärme ja 1:1 aus der elektrischen Energie. Es ist aber nicht erkärbar, wie dann das Haus wärmer werden sollte mit weniger Energieeinsatz.
Fazit
Funktioniert besser als gedacht. Das Experiment war erfolgreich und die Heizung kann genau so bleiben, wie sie jetzt ist.
Genialer Versuch! Danke für den Bericht und die genauen Daten!!!